© KG Wechold

Mal nachgedacht

Oktober 2021 „Ich wollt, ich wär` ein Hund!“

„Ich wollt, ich wär ein Hund!“ - ja, ich weiß, es muss „Huhn“ heißen. Aber tatsächlich meine ich einen, genauer gesagt, unseren Hund! Tiefenentspannt, gelassen, neugierig ist er – und lässt sich nicht hetzen! Dabei kann er ziemlich schnell sein, dass weiß ich! Und klug ist er auch!                                                           Da stehe ich doch nun in der Tür und möchte reingehen – jetzt, sofort! Ich muss doch noch die Wäsche aufhängen, das Essen machen, den Tisch decken, usw.. Tausend Dinge halt, die noch gemacht werden müssen. Und was macht er? Eben war er noch neben mir, nun schlendert er ganz gemütlich zum Wassernapf und trinkt. Und trinkt! Und trinkt! Ich werde schon ganz fusselig: okay, er ist durstig; es ist ja auch warm heute! Aber er kann doch auch drinnen trinken, dann kann ich die Zeit sinnvoll nutzen und einiges erledigen. 

Plötzlich muss ich über mich selbst schmunzeln. Klar, könnte er drinnen trinken, aber warum? Er ist jetzt durstig, und nun hetzen, weil ich, sein Mensch, meine, dass ich keine Zeit habe – und so gar keine Geduld aufbringe? Die Dinge sehen aus seiner Perspektive ganz anders aus. Seine Perspektive ist: hier und jetzt steht erfrischendes Wasser und er hat Durst. Wäsche? Die läuft seinem Menschen bestimmt nicht weg! Pünktliches Essen? Hat Frauchen sich schon mal gefragt, ob alle pünktlich da sind! Tisch decken? Könnten auch die Anderen machen!                                               

Und während ich so dastehe, werde ich ruhiger, gelassener und meine Unruhe verschwindet. Es fühlt sich gut an und meine Laune entspannt sich.  Da dreht er sich ganz gemächlich um und kommt in seinem ganz eigenen Schlender-Trott auf mich zu. Vor mir bleibt er stehen und schaut mich an: „Siehst du, Mensch, jetzt hast du verstanden, was wichtig ist und was ein bisschen Warten alles verändern kann. Es ist alles eine Frage der Perspektive und des Standpunktes. Mit einem anderen Blickwinkel löst sich das eine oder andere Problem von ganz allein.“ 

Von wegen „bloß ein Hund“. Ich wollt, ich wär` ein Hund, dann würde ich vielleicht viele Sachen öfters aus verschiedenen Blickwinkel betrachten. Einige Erkenntnisse würden mich bestimmt wundern, andere traurig machen oder begeistern. Auf jeden Fall lassen sich damit viele Reaktionen, Ängste und Handlungen viel besser verstehen.                                                                                
Wie schön, dass ich jemanden oder etwas hat, der/das mich ab und zu an die anderen Standpunkte erinnert.

                                                                                                                                                     Elke Weselmann

September 2021 „Vor-Freude ist die beste Freude“

Ich schaue aus dem Fenster. Der Wasserkocher läuft. Jetzt erst einmal einen Kaffee. Einkaufen ist anstrengend! Nur eben ein paar Lebensmittel besorgen. Von wegen! Manchmal gleichen Begegnungen mit Menschen eher dem Leidensweg Christi: Ungeduld, Dünnhäutigkeit, schlechte Laune, Misstrauen, unterdrückter Ärger, schlecht versteckte Enttäuschungen – all so etwas sucht ein Ventil zur Entladung und umgibt dann alles und jeden wie eine Wolke. Da kann es in so einem Supermarkt schon ziemlich nebelig sein! 

Dabei ist doch eigentlich alles erträglich - gut, die Urlaube sind etwas spontan und vor der nationalen Haustür und das Wetter verwöhnt uns nicht gerade mit Temperaturen über 30 Grad. Okay, die Informationslage ist echt verwirrend und die Diskussionen über Impfen - ja oder nein - wirklich anstrengend. Da ist der Frust schon verständlich. Aber ist das der wirkliche Grund für diese „Schlecht-Wetter-Wolke“, die viele Menschen umgibt?

Mein Kaffee ist fertig und mit dem ersten Schluck kommt mir ein Gedanke: mangelnde FREUDE-Zeit ist der Grund für diese Griesgrämigkeit! Oder besser gesagt, die fehlende Vor-Freude! Vielleicht kann MENSCH am besten genießen oder entspannen, wenn er sich lange auf etwas freuen und das Gewünschte eine Zeitlang im Kopf und Herz bewegen kann. Wenn MENSCH weiß, dass etwas geschehen wird, dann entstehen im Vorfeld Neugierde, Spannung und Freude. Diese Zeit der Vor-Freude ist so bereichernd und tragend, dass sie auf Andere ansteckend wirken kann. 

In den letzten Monaten war nicht viel Raum für eine ungehemmte Vor-Freude. Nicht, dass wir uns nicht über etwas freuen konnten, aber etwas Schönes gab es oft nur sehr spontan, und dann mit einem etwas unsicheren Hintergrund. Der hat die Freude und den Spaß oft gedämpft. Eine kindliche Vor-Freude haben wir uns nur sehr selten unbeschwert leisten können. 

Und worauf könnte ich mich jetzt freuen? Ich freue mich schon auf den nächsten Einkauf. Die Kassiererin an der Kasse hatte nämlich eine absolut ansteckende, gute Laune und einen ausgewachsenen Schalk in den Augen. Das hat mir richtig gut getan und gab mir Schwung für den ganzen Tag. Darauf freue ich mich! Denn, dass wussten bereits unsere Großeltern: „Vor-Freude ist die beste Freude!“

Elke Weselmann 

 

Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache:

Es ist ein Jahr her, dass ich begonnen habe meine Gedanken aufzuschreiben. Ein wagemutiges Unterfangen – musste ich doch mit Kritik auf meine Worte rechnen. Um so schöner sind die Erlebnisse, wenn ich angesprochen und ermutigt werde weiterzumachen. Oder sogar Dank ausgesprochen wird, dass meine Gedanken anregend waren. Diesen Dank für die lieben Worte und Ermunterungen möchte ich gerne zurückgeben und hoffe, dass meine Worte dem Einen oder Anderen ein bisschen Kurzweil in dieser einzigartigen Zeit verschafft haben. Vielen Dank für die Unterstützung.                                                                             Ihre und Eure Elke Weselmann  

Juli & August 2021 "Infizieren erwünscht!"

Ich sitze mal wieder im Garten – die unvermeidliche Tasse Kaffee neben mir. Ach, was ist es schön, wenn man ab und zu auch von zuhause arbeiten kann! Da höre ich ein „Ruff“ im Hab-Acht-Ton. Ich schaue doch mal lieber um die Ecke! Heute bin ich wieder als „Hunde-Sitterin“ unterwegs, und „meine“ drei Hunde toben herum und mopsen sich gegenseitig die Stöckchen. Drei lachende „Gesichter“ strahlen mich an – und schwupps - alles geht von vorne los. Mir geht das Herz auf. Drei komplett verschiedene Rassen, Altersstufen, und Charaktere: der Eine ein „verschmitzter Sturkopf“, der Zweite ein „energiegeladener Gummiball“ und der Dritte ein „ernster Ich-geb-niemals-auf“-Typ. 

Da fällt mir ein Artikel über die Tierheime ein. Sie befürchten eine nicht zu schaffende Abgabewelle von tierischen „Corona-Lückenbüßern“, die ihren Besitzern und deren Urlaub im Weg sind. Manche Tiere sind auch ihren Eigentümern unbequem, weil sie als lebendige Persönlichkeiten nicht mehr den „Plüschtier-Vorstellungen“ entsprechen und pubertäre Verhaltensweisen aufzeigen. Solche Phasen kann es bei Heranwachsenden geben - was mir alle Eltern bestätigen werden! 

„Das letzte Kind hat Fell!“, hat mir mal ein guter Freund gesagt. So unrecht hat er nicht. Für mich sind Tiere keine Wegwerf-Artikel, sondern Lebensbegleiter, die uns in guten, wie in schlechten Tagen zur Seite stehen. Und wir Menschen? Tun wir das auch? Corona brachte für viele Menschen einsame Tage, was der Haustier-Boom gezeigt hat. Und nun eine Abgabewelle? 

Ich bin froh, dass meine „menschlichen“ Kinder sich um ihre Begleiter sorgen. Meine Nachbarin lachte letztens über den Zaun: “Na, wieder als Oma unterwegs?“ Ich lachte mit und freute mich darüber, denn ich weiß, dass sie die Rasselbande in dem Teil des Gartens im Blick hat, den ich nicht sofort einsehen kann - und dabei ihren Spaß hat. Wie schön, dass es Menschen gibt, die sich aus Spaß an der Freude mit kümmern. 

Wenn es also mal schwierig wird, dann gibt es bestimmt jemanden, der hilft. Man muss sich nur mal zu fragen trauen. Weggeben ist nicht immer die Lösung. Ob Menschen wohl genauso treu sein können, wie ihr „treuester Freund“?   Und, ob dieses gegenseitige, humorvolle „Hinschauen“ und „Mit-Sorge-tragen“ und „Für-einander-da-sein“ wohl genauso infektiös sein kann wie Corona? Ein interessanter Gedanke, der mich bestimmt lange nicht loslassen wird.                                                                                       

 Elke Weselmann 

April 2021 "Das bunte Ei ist rund"

Die ersten Sonnenstrahlen scheinen mir ins Gesicht, und die unvermeidliche Tasse Kaffee steht neben mir. Es ist Februar und ich sitze im T-Shirt im Garten. Noch ist alles ziemlich grau und kahl, aber die ersten wagemutigen Blüten lugen doch hier und da schon aus dem Boden und geben den vorsichtigen Schimmer eines Farbklekses. Was für ein Jahr! Kein Wunder, dass die Supermärkte bereits mit den bunten Ostereiern werben und zum Naschen verlocken wollen. Aber es sind doch noch Wochen bis zum Osterfest!?! Ich seufze, aber natürlich sehnen wir uns alle nach Farben und einem frischen Grün. 

Grün – die Symbolfarbe des Lebens, des Wachstums, der Hoffnung und der Zuversicht. Ja, grün ist toll! Genauso wie Blau, die Farbe der Reinheit oder Rot – die Farbe des Blutes, des Feuers und das Sinnbild des Heiligen Geistes. Mir wird ganz „violett“ zumute, die Farbe der Stille und der Besinnung. Und dann sehe ich die bunten Ostereier vor mir, wie ich sie ab und zu jetzt schon an den Büschen hängen sehe. 

Ich gebe zu, ich war ein bisschen genervt davon: es sind noch Wochen – fast Monate bis zu Ostern und es war mir einfach zu früh. Doch, wenn ich so darüber nachdenke, dann kann ich die „Eierfreunde“ verstehen. Die runden, bunten Eier erinnern uns doch täglich daran, dass es immer wieder weiter geht. Es gibt immer wieder einen Neuanfang - etwas Reines, Neues, Unbeschwertes, das uns Hoffnung gibt und uns einen neuen Weg zeigt. Der ist oft ziemlich versteckt, aber dass heißt nicht, dass er nicht da ist. Für jeden von uns, auf ganz unterschiedliche Weise!

Das letzte Jahr hat für alle ziemlich große Herausforderungen bereitgehalten: Verständnis, Geduld und Reflexionen. Für viele Menschen waren auch Verluste dabei: Angehörige, Gesundheit, Arbeit, Existenzen - die Liste scheint endlos zu sein und macht mutlos. Da ist es sehr leicht den Weg zu verlieren! Und die Hoffnung! Und die Kraft zum Weitermachen! Und dann kommen die bunten Eier in grün, in blau, in rot und zeigen uns mit dem Osterfest, nach einem schwarzen Karfreitag, dass es einen Weg gibt, der uns weiterleiten wird. Diese Eier, die mit ihrer Form und mit ihren Farben am Osterfest unermüdlich daran erinnern, dass es immer ein „Danach“ gibt. Ob hier unten auf der Erde oder auch im Himmel an Gottes Seite. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass es nicht immer alles rund läuft, aber ich finde, das Oval des Eies ist auch in Ordnung.  Das Wunderschöne daran ist, dass die Runde geschlossen ist und nichts verloren ist – es wird immer wieder einen Neuanfang für uns geben. Das bunte Ei ist eben doch irgendwie rund. 

In diesem Sinne wünsche ich allen ein wunderschönes, buntes und rundes Osterfest!

Elke Weselmann

März 2021 "Zufriedenheit ist ein Geschenk"

Nun stuppst er mich zum wiederholten Male an und schaut erwartungsvoll hoch. Dabei geht er zur Tür und wedelt. Ganz klar: unser Hund möchte raus in den Schnee. Ein bisschen zweifle ich ja noch: fliegt der doch gerade waagerecht an meinem Fenster vorbei! Aber was soll`s, Minuten später toben wir beide draußen im Schneesturm herum und haben riesigen Spaß dabei. Als wir wieder drinnen sind, seufzt unser Hund zufrieden und streckt sich lang auf seine Decke aus. Ich sitze vor dem Ofen und genieße die Wärme. Auch in mir breitet sich ein tiefes Wohlgefühl aus. Wie einfach ist es doch zufrieden zu sein: ein schützendes Dach über den Kopf, ein wärmender Ofen und dazu eine Tasse heißen Kaffee. Herrlich! 

Dabei fallen mir die Frauen aus Vanuatu ein: 60% von ihnen machen regelmäßig Erfahrung mit Gewalt, 20% erleiden dabei einen dauerhaften Schaden, die Teilnahme an Mitbestimmung bleibt ihnen verwehrt. Die uns angepriesenden Traumstrände werden durch internationalen Müll und Erderwärmung verschmutzt und 2015 zerstörte ein tropischer Wirbelsturm fast die ganzen Inseln, und damit die Lebensgrundlage der Menschen. Und doch stehen die Menschen von Vanuatu seit langem an fünfter Stelle der zufriedensten Völker der Welt. Das „Land der glücklichsten Menschen“ besteht überwiegend aus ländlicher Struktur mit unbefestigten Straßen, fehlende Technik und Lebensmittel, die fast ausschließlich aus dem eigenen Anbau kommen und gerade mal zur Deckung des eigenen Hungers reichen. Und trotzdem strahlen die Menschen dort eine Zufriedenheit aus, die mich fast neidisch machen könnte. Ist ihre Zufriedenheit denn einfacher zu erlangen als meine vor dem Ofen? Warum ist es für viele von uns so schwer, darüber zufrieden zu sein, dass eine Medaille auch eine zweite Seite hat? 

 Mir scheint, Zufriedenheit ist ein Geschenk, das anzunehmen wir oft noch lernen müssen. 

Elke Weselmann

Februar 2021 „Nachruf auf den Weihnachtsbaum“

Draußen wird es dunkel und das Feuer flackert munter im Ofen. Die Teetasse dampft. Es ist mal wieder so weit. Wir schmücken unseren Weihnachtsbaum ab, und meine Gedanken gehen „spazieren“. Ein bisschen vermisse ich unseren Baum jetzt schon – und dabei ist es schon Mitte Januar! In diesem Jahr konnte ich mich an ihm gar nicht satt sehen, aber es gab auch Jahre, da war das anders! 


„Anders“ – DAS Wort des Jahres 2020! Schule – anders; Urlaub – anders; Weihnachten – anders! Obwohl, war Weihnachten komplett soooo anders? In einigen Dingen war Weihnachten so wie immer: „wer kümmert sich um den Baum?“,“ wann wird der Baum geschmückt?“ Diese Dinge haben bei uns einen festen Ablauf und waren so wie in jedem Jahr. Die Lösungen auf die Fragen, „wer, wann, wo besucht und kommt“, die waren allerdings ungewohnt anders. Vielleicht konnte ich deshalb den Weihnachtsbaum intensiver und häufiger genießen? Und das sogar in mehrfacher Ausführung: beim Gottesdienst am heiligen Abend draußen auf dem Burbring, in der Kirche zu Weihnachten und Silvester und zuhause zentral auf dem Flur. Ein Genuss für mich „Baum-Liebhaberin“! 


Der Weihnachtsbaum – zwar mit dem Ursprung bei den Germanen, gilt seither als das Symbol für Lebenskraft, Schutz vor (Winter-)Geistern und Hoffnung auf das nächste Frühjahr, mit Lichtern, die uns zeigen, dass in einer Nacht vor ca. 2000 Jahren für uns alle ein helles Licht auf die Erde gekommen ist.                    Langsam wird mir klar, warum es mir in diesem Jahr so schwer fällt mich von „ihm“ zu trennen. Es war ja schon ein besonderes Jahr, das uns oft an die Grenzen unserer Geduld, unseres Verständnisses und unserer Kraft gebracht hat. Aber es gibt auch immer wieder „Kraft-Spender“! Jede/ jeder hatte so einen vor sich: den Weihnachtsbaum mit seinen Lichtern. Wenn nicht zuhause, dann doch unterwegs in dem einen oder anderen Garten. Einen Baum, der uns immer wieder zeigt, dass es jederzeit Licht und Hoffnung gibt – und bestimmt „eine zukünftige und bessere Zeit“. Wie beruhigend und schön dieser Gedanke ist! Und in diesem Jahr sogar für alle sichtbar: ein Baum mit Lichtern auf dem Burbring. Vielen Dank an alle „Weihnachts-Wichtel“, die sich diese Mühe gemacht haben. 


Jetzt, wo die letzten Lichter bei uns langsam verlöschen, fällt mir der Abschied vom Weihnachtsbaum zunehmend schwerer. Langsam steigt eine Idee auf: es wird keinen herkömmlichen Abschied für uns geben! Gedacht und umgesetzt! Unser Weihnachtsbaum steht nun vor unserem Küchenfenster und trägt stolz statt der Kugeln die Meisenknödel an seinen Zweigen. Es dauert auch gar nicht lange, da strotzt er voller Lebendigkeit. Kann es für einen Weihnachtsbaum etwas Schöneres geben? Ich habe so das Gefühl, dass wir unseren Baum noch etwas länger haben werden und er uns bis in die kommende wärmere und sonnigere Zeit begleiten wird. 


Ich wünsche allen ein gesundes und lebendiges Jahr 2021, mit vielen Möglichkeiten sich auch an den kleinen Dingen zu erfreuen!


Elke Weselmann